Aktuell Wettbewerbe

Das „Friedensbild des Jahres“ stammt von Elisa L. Iannacone

Die glückliche Preisträgerin Elisa L. Iannacone mit ihrem Gewinnerbild. (c) Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Die glückliche Preisträgerin Elisa L. Iannacone mit ihrem Gewinnerbild. (c) Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Am Abend des 23. September fand die Preisverleihungsgala des zwölften Global Peace Photo Awards traditionell im Österreichischen Parlament statt. Als Präsident des Österreichischen Nationalrates begrüßte Wolfgang Sobotka die Anwesenden und betonte dem Thema Frieden entsprechend in seiner Rede die Bedeutung des Dialogs für das Überwinden von Konflikten und dass eine liberale Demokratie dafür den besten Rahmen abgebe.

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Global Peace Photo Awards 2024 sind:

Elisa Iannacone aus Großbritannien / Mexiko für „Dreams of Childhood“.
Danila Tkachenko aus Russland / Italien für „Inversion“.
Maryam Saeedpoor aus dem Iran für „Women, Life, Freedom“.
 
In der Kategorie für Einzelbilder
Antonio Aragón Renuncio
 aus Spanien für „The Dancer“.
 
In der Kinderkategorie
Daria Heß
 aus Deutschland für „Happiness“.

Diese Werke wählte die Jury aus den insgesamt eingesandten 21.220 Einreichungen aus 122 Ländern. Im Vergleich: 2023 wurden 19.195 Bilder aus 133 Ländern eingesandt.

Die meisten Einsendungen kamen dieses Jahr aus Indien, Deutschland, Russland, Iran und den USA.

Hauptpreis: „Dreams of Childhood“ von Elisa L. Iannacone

Das Friedensbild des Jahres stammt von der britisch-mexikanischen Künstlerin und Fotografin Elisa L. Iannacone und ist mit 7.000 Euro dotiert.

Das Friedensbild des Jahres stammt von Elisa L. Iannacone: „Dreams of Childhood – The Great Escape“ (c) Elisa L. Iannacone / Global Peace Photo Award 2024

Nachfolgend die Laudatio von Peter-Matthias Gaede (alle Laudationes in voller Länge finden Sie am Ende des Artikels): „Sie leiden unter Nierenkrankheiten oder warten auf eine Herztransplantation: kleine Patienten im Nelson Mandela Kinderhospital, Südafrika. Freiheit, Unbeschwertheit, Spaß – vieles, was Kindheit zu Kindheit machen kann, haben sie nicht. Aber doch bestimmte Sehnsüchte, Wünsche, Träume. Nur: Wie sie zum Ausdruck bringen? 

Die Multimedia-Künstlerin Elisa L. Iannacone wusste eine zauberhafte Antwort. Sie ist eine Frau, von der sich sagen lässt, sie könne gebrochene Flügel heilen. Mit magischen Bühnenbildern, in denen sie Verletzten zu neuen Kräften verhilft.

Die Jungen und Mädchen im Mandela-Krankenhaus wurden von Iannacone in ein Wunderland entführt. Der Schmerz: vom Lachen überwunden. Die Traurigkeit: in Fröhlichkeit verkehrt. Der Kampf: zum Frieden geworden.

Iannacone hat sich früh als „Übersetzerin“ empfunden. Als Stimme der durch Leid Verstummten. Der Opfer von Krieg und sexueller Gewalt. Sie hat Tod und Vergewaltigung aus unmittelbarer Nähe erlebt. Seither arbeitet sie an Traumabewältigung. Gegen Apathie. Gegen die Mitleids-Ermüdung. Und gegen das Gefühl von gemarterten Menschen, sie seien allein. Ihnen will sie Brücken bauen. Zu anderen. Und zu einem neuen Selbstwertgefühl. 

Iannacone hat in Toronto und London studiert, hat über 75 Länder bereist, blickt auf große Ausstellungen und die Teilnahme an Festivals zurück.“ 

The Children’s Peace Image of the Year 2024

Das mit 1.000 Euro dotierte beste Friedensbild in der Kinder- und Jugendkategorie, „The Children’s Peace Image of the Year 2024“, gewann die 15-jährige Daria Heß aus Hamburg mit ihrem Bild „Happiness“. Der Preis wurde von Harald Riener, Vorstandsdirektor der Vienna Insurance Group (VIG), übergeben, die seit vielen Jahren den Global Peace Photo Award als Hauptsponsor unterstützt.

Zu ihrem Bild schrieb Daria Heß bei der Einreichung folgenden Text: „Für mich bedeutet Frieden, glücklich sein zu können und einverstanden zu sein mit dem Leben – selbst wenn Du auch Sorgen und Ängste kennst. Frieden bedeutet die Kraft zu haben, sich mehr von den schönen Dingen als von den Schwierigkeiten leiten zu lassen.“(c) Daria Heß / Global Peace Photo Award 2024

„Und was sie meint, sehen wir auf diesem Foto visualisiert“, schreibt Peter-Matthias Gaede in seiner Laudatio. „Daria ist 15 Jahre alt und scheint eine Menge Interessen und Optionen zu haben. Wer ein bisschen googelt, findet ihren Namen auf Gewinner-Listen von Schulschach-Turnieren und Mathematik-Olympiaden ebenso wie auf Teilnehmer-Listen von Schwimm-Wettbewerben. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen, wie Darias Vater sagt, ist Daria soeben für ein Jahr auf ein englisches Internat gewechselt. Das Wort Glück hat Daria mit dem Wort Selbstbestimmung kombiniert. Und beide mit dem Wort Frieden.“ 

Ihr Foto machte sie mit einem iPhone SE, das auf Selbstauslöser eingestellt war, erzählte sie FOTOobjektiv. Sie benötigte dafür einen ganzen Tag, bis ihr das gewünschte Bild gelang. In Zukunft kann sie ihre fotografischen Ideen auch mit einer Leica D-LUX 8 umsetzen, die sie von Johannes Dietrich, Geschäftsführer von Leica Österreich, bei der Preisverleihung überreicht bekam.

Lois Lammerhuber, der gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lammerhuber den Global Peace Photo Award initiiert und seit Anbeginn organisiert, erinnerte daran, dass „Frieden nicht die Abwesenheit von Krieg ist, sondern etwas, das ich als ‚Gelungenes Leben‘ bezeichnen möchte. Mit all ihrer kreativen und künstlerischen Leidenschaft formulieren die Fotograf:innen eine Ode an den Respekt vor der Zerbrechlichkeit unserer Welt. Sie beschwören die Beziehungen zwischen den Menschen und der Natur als eine Mission für ein verantwortungsvolles Leben. Mit ihren Talenten, ihrem Blick und ihren Visionen beschreiben sie jene gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, die uns nicht mehr loslassen dürfen. Sie fesseln den Blick mit Fotografien, die vom Auge direkt im Herzen Wurzeln schlagen, und uns ermutigen, sich gegen den Stillstand, die Gleichgültigkeit und den herrschenden Populismus zu wehren. Ein Appell an die Welt, der fest ins Herz unseres Awards eingeschrieben ist.“

V.l.n.r. Gisela Kayser, Jurymitglied; Harald Riener, Vienna Insurance Group (VIG); Daria Heß; Lois Lammerhuber. (c) Imre Antal

Die Alfred-Fried-Friedensmedaille 2024 und den mit 1.000 Euro dotierten Preis erhielten:

Antonio Aragón Renuncio (Spanien) für „The Dancer“

Antonio Aragón Renuncio über sein Foto: „Ivan, ein 8-jähriger behinderter Junge, tanzt vergnügt in seinem Rollstuhl, bevor er seine neue Orthese im Don Orione Center in Bonoua erhält, seinem neuen sicheren Zuhause, wo er eine individuelle Betreuung erhält, mit dem Ziel, seine Lebensqualität zu verbessern.
Kinder mit Behinderungen (insbesondere Mädchen) sind stark gefährdet, körperlich, emotional und sexuell misshandelt und missbraucht zu werden. Ihre Communities glauben, dass ihre Behinderungen eine Strafe Gottes sind, das Ergebnis der Sünden ihrer Eltern, ein Akt des Teufels oder dass das Kind verzaubert ist. Diese Minderjährigen werden als „übernatürlich“, „Fremde“ oder „Dämonen“ betrachtet. In einigen Gebieten Afrikas werden Kinder mit zerebraler Lähmung als „Schlangen“ bezeichnet, da sie auf dem Boden liegen. Diese Kinder werden in Ritualen im Fluss ertränkt, „damit die Schlange verschwindet“.
Im Don Orione Center werden Kinder operiert und warten danach in der langen Zeit der Rehabilitation sehnsüchtig auf ihre neuen orthopädischen Hilfsmittel, die es ihnen endlich ermöglichen, sich ohne Probleme selbst zu bewegen. Es ist ein lang ersehnter Startschuss für das große Rennen in ein neues Leben voller Frieden und Hoffnung…
(c) Antonio Aragón Renuncio / Global Peace Photo Award 2024

Der spanische Fotograf Antonio Aragón Renuncio ist der Fotograf eines Glücksmomentes des kleinen Ivan, in dem sich ein persönlicher Sieg über das Schicksal ankündigt. Der Achtjährige strahlt in Vorfreude auf eine neue Prothese, die seinen Bewegungsapparat stabilisieren soll. Eine kleine Szene aus dem Don Orione Center in Bonoua, Elfenbeinküste. Hier werden Menschen mit physischen Handicaps operiert und medizinisch und psychologisch betreut. 

Über das Don Orione Center schreibt Renuncio: Was die kleinen Patienten hier erfahren, werde ihnen ermöglichen „to leave the floor“, aufzustehen. Und das nicht nur physisch. (Auszug aus der Laudation von Peter-Matthias Gaede)

Maryam Saeedpoor (Iran) für „Women, Life, Freedom“

Der Hijab, das Kopftuch. Im Iran ist das Stück Stoff zu einem politischen Thema geworden. Steht für Kulturgeschichte, politischen Kampf, Unterdrückung oder, bei Verzicht, für Widerstand und Auflehnung. 

Die Arbeit, die beim Global Peace Photo Award 2024 ausgezeichnet wurde, zeigt das Haar von Frauen. Und Verschleierung. Ein Versteckspiel, ein Aufbegehren, eine Ambivalenz. Vor dem Hintergrund berühmter Teppichkunst, gebrochen von Farben des Aufstands und der Renitenz. Mit den subtilen Mitteln, die sie hat, versucht Maryam Saeedpoor, an einem friedvolleren Leben und für die Anerkennung der vielen großartigen Frauen Irans zu arbeiten. (Auszug aus der Laudatio von Peter-Matthias Gaede)

Danila Tkachenko (Russland) für „Umkehrung – Inversion

Eine heil anmutende Welt mit dem Krieg konfrontieren. Oder: Den Bewohnern europäischer Städte zeigen, weshalb so viele Flüchtlinge bei ihnen sind. Und wovor sie geflohen sind. Das will der in Russland geborene, im italienischen Exil lebende Fotograf Danila Tkachenko. Dafür hat er in Kooperation mit neun Fotojournalisten deren Bilder von zerstörten Gebäuden in der Ukraine zu großformatigen Erinnerungstafeln gemacht – und diese vor Touristen-Attraktionen in Westeuropa gestellt. 

Jeweils davor: Flüchtlinge aus der Ukraine. Da stehen sie nun vor Bombenkratern, eingestürzten Wohnhäusern, den Trümmern von Kirchen und Schulen. Vor Bildern einer zerschossenen Heimat.

Sieht so Frieden aus? Nein, natürlich nicht. Es ließe sich deshalb fragen, warum Tkachenkos Arbeit ausgerechnet beim Global Peace Photo Award ausgezeichnet wurde. Die Antwort: Weil seine Bilder ein Schrei nach Frieden sind. (Auszug aus der Laudatio von Peter-Matthias Gaede)

„Es gibt keine Kindheit ohne Frieden!“

Hubert Schultes, Präsident von UNICEF Österreich
(c) Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

UNICEF ist erstmals Partner des Global Peace Photo Awards und Hubert Schultes, Präsident von UNICEF Österreich, sagte in seiner Rede: „Als UNICEF, der größten Kinderrechteorganisation weltweit, freuen wir uns besonders, dass der Global Peace Photo Award zwei zentrale Themen für jedes Kind und Kinderrechte aufgreift: Frieden und Partizipation, denn es gibt keine Kindheit ohne Frieden! Wie sieht Frieden aus? Diese Fragestellung von jungen Menschen fotografisch beantwortet, trägt dazu bei, dass wir Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu äußern. Teilhabe ist ein weiteres zentrales Kinderrecht. Hören wir den Kindern und Jugendlichen zu! Kindheit braucht Frieden!“

Keynotesprecherin Rosa Logar

Gründungsmitglied von WILPF-Women’s International League for Peace and Freedom Austria Rosa Logar: Keynote „Warum wir den Frieden ins Bild rücken müssen“
(c) Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

„Warum wir den Frieden ins Bild rücken müssen“ war das Thema der Keynote des Abends, die hielt Rosa Logar hielt. Sie ist Gründungsmitglied von WILPF – Women’s International League for Peace and Freedom Austria. Man müsse Frieden ins Bild rücken, „um dem Thema Frieden Raum zu geben und friedlichen Entwicklungen eine Chance“, sagt Logar un zitiert die . österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz, die in ihrem Handbuch gegen den Krieg schreibt: „Von Frieden wissen wir nichts. Von Frieden erfahren wir nicht. Frieden lernen wir nicht. Krieg ist das einzig berichtete Ereignis in unserem Geschichtsverständnis.“

„Der Global Peace Photo Award ist ein Gegenpol zu der Dominanz des Kriegerischen“, sagt Rosa Logar, die darauf verweist, dass wir uns in einer Zeit der enormen militärischen Aufrüstung befinden. Logar: „Laut Statistik des schwedischen Forschungsinstituts SIPRI betrugen die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2023 2,4 Billionen Dollar. Das sind 2443 Milliarden Dollar. Es ist schwer sich vorzustellen, wie viel Geld das ist, aber um ein Beispiel zu geben: Damit könnte die Arbeit der Vereinten Nationen ungefähr 670 Jahre lang finanziert werden. Oder die Arbeit der Frauenorganisation der Vereinten Nationen, UN Women, für 6.700 Jahre. Dies sind unvorstellbare Summen von Geld, die uns fehlen, wenn es um die Bekämpfung von Hunger in der Welt geht, um die Sicherheit der Gesundheitsversorgung und Bildung und den Klimaschutz.“ Logar betont: „Nur Frieden ist Leben. Sorgen wir gemeinsam weiter dafür, dass der Frieden ins Bild gerückt wird.“ 

Gruppenfoto der Gewinner und Gewinnerinnen sowie der Jurymitglieder des Global Peace Photo Award 2024 (c) Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Die Laudationes von Peter-Matthias Gaede

Elisa L. Iannacone (Großbritannien): „Dreams of Childhood

Sie leiden unter schweren chronischen Nierenkrankheiten oder warten auf eine Herztransplantation: kleine Patienten im Nelson Mandela Kinderhospital, Südafrika. Freiheit, Unbeschwertheit, Spaß – vieles, vielleicht alles, was Kindheit zu Kindheit machen kann, haben sie nicht.

Aber doch bestimmt Begehrlichkeiten, Sehnsüchte, Wünsche, Träume. Nur: Wie sie zum Ausdruck bringen? 

Die Fotografin und Multimedia-Künstlerin Elisa L. Iannacone wusste eine zauberhafte Antwort. Sie ist darauf spezialisiert, Visionen von Menschen in aufwendigen Collagen zu visualisieren. Sie ist eine Frau, von der sich sagen lässt, sie könne gebrochene Flügel heilen. Mit magischen Bühnenbildern, in denen sie Verletzten zu neuen Kräften verhilft.

Und eben Träume erfüllt – und sei es nur für Minuten. Alle Kuchen der Welt essen können? Formel-eins-Pilot werden. Diva, Königin des Tanzens. Den Rausch des Karnevals erleben. In die Lüfte entschweben. Kein Problem!

Die Jungen und Mädchen im Mandela-Krankenhaus, dazu auch das Team des Hospitals, wurden von Elisa L. Iannacone entführt. Befreit durch Fantasie und Spiel. Die Betten: plötzlich Requisite in einem Wunderland. Der Schmerz: vom Lachen überwunden. Die Traurigkeit: in Fröhlichkeit verkehrt. Der Kampf: zum Frieden geworden.

Elisa L. Iannacone, in Mexiko als Tochter einer Mexikanerin und eines Kanadiers geboren, hat sich früh als „Übersetzerin“ empfunden. Zunächst für die Eltern, die der Sprache des / der anderen kaum mächtig waren, in ihrer internationalen Fotografinnen-Karriere dann als Stimme der durch Leid Verstummten. Der Opfer von Krieg und sexueller Gewalt. Sie hat Tod und Vergewaltigung, sie hat Zerstörung aus unmittelbarer Nähe und ganz direkt erlebt. 

Seither arbeitet sie an Traumabewältigung. Gegen Apathie. Gegen die Mitleids-Ermüdung. Und gegen das Gefühl von gemarterten Menschen, sie seien eine Insel. Sie seien allein. Ihnen will sie Brücken bauen. Zu anderen. Und zu einem neuen Selbstwertgefühl. Sie hofft, ihre Filme, ihr Fotos können Menschen heilen.

Iannacone hat in Toronto und London studiert, hat als Foto-Reporterin in Jordanien und dem Irak gearbeitet, in Ägypten und weiteren Ländern Afrikas. Hat über 75 Länder bereist, blickt auf große Ausstellungen und die Teilnahme an Festivals zurück. 

Und wer Videos von ihr sieht, etwa wenn sie fröhlich in einer Steilwand hängt und dabei so gelassen redet wie unsereins höchstens von einem Sofa aus, hat das Gefühl: Dieser dynamischen, dieser so ungebrochen wirkenden, dieser so starken Frau ist zuzutrauen, dass sie noch viele Menschen glücklicher machen kann. 

Und ihnen dabei hilft, trotz aller Schicksalsschläge Frieden zu finden.

Maryam Saeedpoor (Iran): „Women, Life, Freedom

Der Hijab, das Kopftuch. Ein Bekleidungsstück ist zu einem zentralen Symbol für etwas geworden, das man anderswo vielleicht eher harmlos „Geschlechterdebatte“ nennen würde. Im Iran aber zu einem Stück Stoff, das für Kulturgeschichte, politischen Kampf, Unterdrückung oder, bei Verzicht, auch Widerstand und Auflehnung steht. Ist er Tradition? Oder nicht wirklich? Sollten Frauen darüber entscheiden können? Oder darf es eine Religionspolizei tun? Geht eine Gesellschaft zur Tagesordnung über, wenn eine junge Frau, deren Kopftuch verrutscht war, im Gefängnis stirbt? Oder wird das den Anfang vom Ende eines Regimes alter Männer bedeuten? 

Ist die berühmte Parole iranischer Frauen, „Women, Life, Freedom“, noch einmal aus der Erinnerung zu löschen? Oder wird sie zu einem Fanal werden, das auch im Iran einen neuen Frieden schafft?

Wer im Iran als Fotograf, als Fotografin tätig ist, hat es mit ganz anderen Rahmenbedingungen zu tun als Fotoreporter bei uns. Mit einem anderen Verständnis von der Aufgabe von Medien. Mit einer anderen Art, über Fotografie zu sprechen. Es geschieht dort gewissermaßen übersetzt, oft in Kunstprojekte überführt. Mit Andeutungen. Mit Symbolik. Offen für Interpretation. Und doch zugleich deutlich.

Zu dieser Kunst haben es bemerkenswert viele Fotografinnen und Fotografinnen aus dem Iran gebracht. Und eine der Mutigsten von ihnen ist Maryam Saeedpoor, 1984 in Teheran geboren. Mit 16 schon Teilnehmerin an einem Jugend-Art-Festival, mit 21 bei einer Gruppen-Show mit Malerei des „Realismus und Hyper-Realismus“ vertreten, später in diversen Ausstellungen etwa auch in Kalifornien, der Türkei, in Deutschland und Japan.

Zu einer ihrer Fotoarbeiten, die sie „pulsierende Wut“ genannt hat, schreibt sie: „Wir weinen Tränen aus Blut“. Und „Wir klagen“. 

Die Arbeit, die wir ausgezeichnet haben, zeigt das Haar von Frauen. Und Verschleierung. Ein Versteckspiel, ein Aufbegehren, eine Ambivalenz. Vor dem Hintergrund berühmter Teppichkunst, gebrochen von Farben des Aufstands und der Renitenz. Eine Spielerei, könnten wir glauben. Und doch zugleich wissen, dass es das nicht für alle ist. 

In einem Interview wurde Maryam Saeedpoor gefragt, wie vieldeutig ihre Arbeit sei. Sie antwortete: Sie liebe Mehrdeutigkeit. Sie ermögliche es den Betrachtern, über ihre eigenen Tagträume zu reflektieren. Sich mit ihrer eigenen Geschichte einzuordnen. 

Denn weiter könne sie nicht gehen. Sie wandele als Fotografin auf einem heiklen Pfad, verspüre den inneren Zensor und wisse nie, wann sich das Auge des Regimes auf sie richte.

Ihr Credo, ihre Ambition und ihr künstlerisches Vermögen werden gleichwohl deutlich. Und das zeichnen wir aus. Mit den subtilen Mitteln, die sie hat, versucht Maryam Saeedpoor, an einem friedvolleren Leben und für die Anerkennung der vielen großartigen Frauen Irans zu arbeiten.

Danila Tkachenko (Russland/Italien): „Umkehrung – Inversion

Eine heil anmutende Welt mit dem Krieg konfrontieren. Oder: Den Bewohnern europäischer Städte zeigen, weshalb so viele Flüchtlinge bei ihnen sind. Und vor was sie geflohen sind. Das will der in Russland geborene, im italienischen Exil lebende Fotograf Danila Tkachenko. 

Dafür hat er in Kooperation mit neun Fotojournalisten deren Bilder von zerstörten Gebäuden in der Ukraine zu großformatigen Erinnerungstafeln gemacht – und diese vor Touristen-Attraktionen wie den Mailänder Dom, das Brandenburger Tor in Berlin, die Rialto-Brücke in Venedig, den Pariser Eiffelturm, das Colosseum in Rom gestellt. 

Jeweils davor: eine Frau, ein Kind, auch ein paar wenige Männer, die sich vor dem Krieg in der Ukraine nach Westeuropa gerettet haben: eine 92-jährige ehemalige Lehrerin, einen 32-jährigen Rechtsanwalt,  ein 25-jähriges Model,  ein siebenjähriges Mädchen, eine 30-jährige Immobilien-Maklerin, eine 60-jährige Zahnärztin.

Da stehen sie nun vor Bombenkratern, eingestürzten Wohnhäusern, verbrannten Parklandschaften, den Trümmern von Kirchen und Schulen. Vor Bildern einer aufgewühlten, einer zerschossenen Heimat.

Sieht so Frieden aus? Nein, natürlich nicht. Es ließe sich deshalb fragen, warum wir Tkachenkos Arbeit ausgerechnet beim Global Peace Photo Award ausgezeichnet haben. Wir haben es getan, weil seine Bilder ein Schrei nach Frieden sind. Ein Hilferuf. Und weil es leider so ist, dass sich selbst unter den Einsendungen zu unserem Wettbewerb die Sehnsucht nach Frieden häufiger manifestiert als das Erreichen des Friedens.

Tkachenko, 1989 in Moskau geboren, will, dass diese Sehnsucht nicht vergessen wird. Mit höchsten internationalen Auszeichnungen reichlich geehrt, hat er sich, als er es noch konnte, intensiv mit russischen Themen befasst. Dem Tod von Dörfern nach der Zwangskollektivierung, der Flucht von Menschen in die Einsiedelei, den militärischen Anlagen mit Zutrittsverbot. Bis 2014 wurden seine Arbeiten noch in Russland gezeigt. Es ist Russland zu wünschen, dass kluge Köpfe wie er eines Tages zurückkehren wollen und können. Die russische Gesellschaft braucht Menschen wie ihn.

Preisträger Einzelbild:
Antonio Aragón Renuncio (Spanien): „The Dancer

Ivan, acht Jahre alt, strahlt in Vorfreude auf eine neue Orthese, die seinen Bewegungsapparat stabilisieren soll. Eine kleine Szene aus dem Don Orione Center in Bonoua, Elfenbeinküste. Hier werden Menschen mit physischen Handicaps, etwa angeborenen Klumpfüßen, operiert und medizinisch und psychologisch betreut. Auch eine Reha-Abteilung und ein Ausbildungszentrum für Handwerker-Berufe sind angeschlossen.

Das Don Orione Center spielt zugleich eine wichtige gesellschaftliche Rolle bei der Aufklärung über Krankheiten und vor allem Behinderungen, die in afrikanischen Ländern nicht selten als so unheimlich empfunden werden, dass den Betroffenen unterstellt wird, sie seien von Dämonen besessen oder verfügten über dubiose übernatürliche Kräfte.

Der spanische Fotograf Antonio Aragón Renuncio ist der Fotograf dieses Glücksmomentes des kleinen Jungen, in dem sich ein persönlicher Sieg über das Schicksal ankündigt. 

Wobei wir nicht die Einzigen sind, die diesen Fotografen würdigen möchten. Renuncio blickt auf fast schon nicht mehr zählbare internationale Veröffentlichungen und Auszeichnungen zurück, hat selber eine Hilfsorganisation zur Unterstützung medizinischer Projekte am Golf von Guinea gegründet. Er hat Fotografie an verschiedenen Universitäten gelehrt und eine Fotografen-Vereinigung gegründet. Er war Chefredakteur eines Magazins in Nicaragua und hat Festivals organisiert.

Über das Don Orione Center schreibt Renuncio: Was die kleinen Patienten hier erfahren, werde ihnen ermöglichen „to leave the floor“. Werde ihnen erlauben, aufzustehen. Und das nicht nur physisch. Mit anderen Worten: Renuncio hat uns das Bild eines Augenblicks geschenkt, in dem ein Kind vielleicht Frieden machen kann mit all den Einschränkungen und Qualen, die es erfahren hat.

Kinderpreis: Daria Heß (Deutschland): „Happiness

„Für mich bedeutet Frieden, glücklich sein zu können und einverstanden mit dem Leben – selbst wenn Du auch Sorgen und Ängste kennst. Frieden bedeutet die Kraft zu haben, sich mehr von den schönen Dingen als von den Schwierigkeiten leiten zu lassen.“ Das hat Daria Heß unter ihr Foto geschrieben, das sie uns aus Hamburg sandte. 

Und was sie meint, sehen wir auf diesem Foto visualisiert. Daria ist 15 Jahre alt und scheint eine Menge Interessen und Optionen zu haben. Wer ein bisschen googelt, findet ihren Namen auf Gewinner-Listen von Schulschach-Turnieren und Mathematik-Olympiaden ebenso wie auf Teilnehmer-Listen von Schwimm-Wettbewerben. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen, wie Darias Vater sagt, ist Daria soeben für ein Jahr auf ein englisches Internat gewechselt. Das klingt schon sehr professionell. 

Das Wort Glück hat Daria mit dem Wort Selbstbestimmung kombiniert. Und beide mit dem Wort Frieden.“